Alles geht
Uschi Bautzmann sitzt im Treppenhaus eines Hamburger Altbaus. Sie hockt auf den schmutzigen Stufen der mit rotem Linoleum beschichteten Holztreppe. Durch das Oberlicht dringt spärlich blassblaues Licht. Es riecht nach Muff. Uschi Bautzmann kann sich kaum bewegen, in ihr ist nur noch Schmerz. Am liebsten möchte sie schreien. Doch stattdessen bleibt sie ruhig. Pök. Pök. Pök. Stufe um Stufe rutscht sie auf dem Hosenboden ins Erdgeschoss. Ihre größte Sorge gilt ihrer neuen weißen Jeans, die sie sich nicht versauen will.
Es ist das Jahr 1995. Uschi Bautzmann ist 28. Und Physiotherapeutin. Und sie hat einen Bandscheibenvorfall. Nein: Sie hat zwei Bandscheibenvorfälle und eine Bandscheibenvorwölbung. Das weiß sie zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht. Ebenso wenig weiß sie, dass dieser Moment der Anfang einer einjährigen Odyssee ist, die ihr Leben komplett umkrempeln wird.
„Ich war an diesem Junivormittag bei einem Hausbesuch bei einer schwerkranken Frau“, erinnert sie sich. Schon am Morgen bei der ersten Behandlung in der Physiotherapiepraxis hatte sie plötzlich stechende Schmerzen. Doch pflichtbewusst wie sie ist, setzt sie sich auf ihr uraltes weißes Peugeot-Rad und fährt zur nächsten Patientin, um eine Lymphdrainage durchzuführen. Genau 20 Minuten hält sie durch, bevor sie die Behandlung abbricht. Die Muskeln der Lendenwirbelsäule und des Beckens sind komplett verkrampft.
Nichts geht mehr
So landet sie an diesem Junimorgen auf dem Hosenboden im Treppenhaus und robbt im Schneckentempo nach unten. Im Erdgeschoss angekommen, zieht sie sich am Treppengeländer mühsam in eine mehr krumme als aufrechte Haltung. Sie öffnet die Haustür, tritt auf die Straße, quält sich zurück auf ihr Fahrrad und fährt langsam zurück zur Praxis. „Au, au, au“, ist das einzige, das sie denkt. Sie lenkt das Rad einhändig, um den Oberkörper einigermaßen aufrecht zu halten und tritt mit links - das rechte Bein gehorcht nicht mehr. Warum sie kein Taxi genommen hat, weiß sie bis heute nicht.
Obwohl sie kaum laufen kann, schleppt Bautzmann sich zu Fuß zum Arzt. Der verschreibt Schmerztabletten, schreibt sie eine Woche krank und behandelt sie osteopathisch. Außerdem schickt er sie zur Krankengymnastin. „Die war der Ansicht, meine Rückenschmerzen seien psychischer Natur. Deswegen behandelte die mich nicht nur physiotherapeutisch, sondern auch mit Bachblüten“, sagt Bautzmann. Heute kann sie darüber lachen. Damals ist sie verzweifelt. Denn nichts hilft.
Als sich ihre Beschwerden nach sechs Wochen nicht verbessert, sondern im Gegenteil sogar verschlimmert haben, geht Bautzmann in die Hamburger Endo-Klinik. Das MRT zeigt zwei Bandscheibenvorfälle und eine Vorwölbung. Der Befund ist klar, doch die Behandlung wenig zielführend. Die Ärzte verschreiben wieder physiotherapeutische Behandlungen sowie eine vierwöchige Kur in einer Osteoporoseklinik in Bad Pyrmont. „Das war einfach furchtbar“, sagt Bautzmann und zieht die Stirn kraus. Die einzigen Anwendungen: jeweils zweimal die Woche Krankengymnastik, Bewegungsbad und Massage. Nichts hilft. Bautzmann verlässt die Klinik mit Schmerzen, einer Depression - und ohne ihren Job in der Physiotherapiepraxis. Den hat sie aufgrund des langen krankheitsbedingten Ausfalls verloren.
Der linke Fuß bringt die Wende
Schmerzen im linken Fuß führen Bautzmann wieder zum Arzt, dieses Mal zu einer Sportmedizinerin. Die Ärztin, die in einem Hamburger Kieser Training-Studio Trainingsberatungen macht, kümmert sich nicht nur um den Fuß, sondern rät der Schmerzgeplagten, die Rückenmuskulatur aufzubauen. Bautzmann fasst noch einmal Vertrauen und startet bei Kieser Training mit dem begleiteten Training an der Lumbar-Extension-Maschine - einer Maschine, mit der sich gezielt die tiefe Rückenstreckmuskulatur aufbauen lässt. „Nach der ersten Behandlung hab ich total gezittert, weil ich muskulär so abgebaut hatte“, erinnert sie sich und schüttelt lachend den Kopf. „Doch schon nach der dritten Behandlung fühlte ich mich zu 50 Prozent stabiler und sicherer. Ich konnte mich wieder frei bewegen, ohne vorher darüber nachzudenken. Und nach 18 Trainingseinheiten, sprich nach gut 3 Monaten war ich zu 98 Prozent schmerzfrei. Das war einfach großartig.“
Das Training bringt nicht nur ihre Lebensqualität zurück. Bautzmann bekommt die Chance, als Physiotherapeutin in einem Kieser Training-Studio in Hamburg anzufangen. Sie schmeißt die geplante Umschulung zur Bürokauffrau, sagt zu und absolviert die Kieser-interne Ausbildung für Instruktoren mit Zusatzausbildung für computergestützte Rückenmaschinen. Seit 20 Jahren begleitet sie nun andere Rückenpatienten im Training. „Als Patientin habe ich mit Kieser Training gelernt, mir selbst zu helfen und meine Rückenschmerzen loszuwerden. Dieses Wissen gebe ich jetzt an andere weiter - sowohl an Patienten als auch an Ärzte oder Mitarbeiter.“ Heute arbeitet sie im Ressort Qualitätsentwicklung, aber auch immer noch regelmäßig im Hamburger Studio.
Dem Rücken dankbar
Schwarze Bluse, schwarze Hose, grüne Augen. Uschi Bautzmann strahlt. Sie liebt es, aus vollem Herzen zu lachen. Sie wird dieses Jahr 50 und ist glücklich - sowohl in puncto Arbeit als auch privat. 2017 ist für sie ein ganz besonderes Jahr. Es ist für sie das Jahr der Jubiläen: „Ich feiere mit Kieser Training den 50. Geburtstag, meinen eigenen 50. Geburtstag, meine 20-jährige Firmenzugehörigkeit und gleichzeitig 15-jähriges Jubiläum mit meinem Partner und 20 Jahre mit meiner besten Freundin.“ Sie schmunzelt: Beide hat sie bei Kieser Training kennen gelernt. Für all das ist sie ihrem Rücken wirklich dankbar.
Text: Tania Schneider
Fotos: Verena Meier
Mehr zum Thema Rücken lesen Sie im Reflex 61.