MANN OHNE RÜCKENSCHMERZ
66 Jahre ist er alt. Und noch nie hatte er Rückenschmerzen: Phil Sencil. Der Maschineningenieur war maßgeblich an der Entwicklung der Lumbar-Extension-Maschine (LE) beteiligt. Einer Erfindung des US-Amerikaners Arthur Jones, mit deren Hilfe bis heute viele Menschen ihren Rückenschmerzen den Garaus machen.
Auf die Frage, ob er schon einmal Rückenschmerzen gehabt hätte, lächelt Phil Sencil zuerst. Dann lacht er. Es ist ein tiefes Lachen, dass sich wie eine Welle vom Bauch ins Gesicht fortpflanzt und in sympathischen Lachfältchen um die Augen endet. „Klar, wenn ich nachts falsch gelegen habe, dann ist auch mein Rücken mal steif. Aber Rückenschmerzen kenne ich nicht“, sagt er.
Sencil ist gebürtiger Japaner, verbrachte aber den Großteil seines Lebens in Amerika. Heute arbeitet er als Maschineningenieur in der Schweizer Zentrale der Kieser Training AG in Zürich. Sencil entwirft und konstruiert Krafttrainingsgeräte. Das macht er seit 33 Jahren. Zuerst bei einer Zulieferfirma für Nautilus, der ersten Firma des legendären US-Amerikaners Arthur Jones. Der hatte 1972 die erste Maschine mit variablem Widerstand auf den Markt gebracht, die ein isoliertes Training des großen Rückenmuskels ermöglichte. Nachdem Jones die Firma Nautilus verkauft hatte, arbeitete Sencil für dessen neue Firma MedX.
Sencil erinnert sich: „Ich war der erste Ingenieur, den Jones bei MedX einstellte. Er hatte mich zum Frühstück eingeladen. Er rauchte wie wild, trank eine Tasse Kaffee nach der anderen und erzählte mir von seiner Idee der Rückenmaschine. Er war so überzeugend, dass ich sofort zusagte.“ Am 08.10.1987 wird die LE erstmalig der Öffentlichkeit präsentiert: im Waldorf Astoria in New York. Nichts überließ Jones dem Zufall. Er schickt zwei Teams mit zwei LKW und zwei Maschinen auf den Weg – nur um sicher zu sein, dass alles glatt läuft. Es war eine bahnbrechende Erfindung in puncto Rückentraining. Eine Erfindung, die es erstmals ermöglicht, die tiefen Rückenstrecker isoliert zu testen und zu stärken. In der Regel mit 12 bis 18 Trainingseinheiten.
Sencil sitzt in der großen Maschine aus schwarzgrauem Stahl, Beckenrolle, Polster, Gurt und Fußrasten fixieren ihn, während er langsam den Rumpf gegen einen Widerstand aufrichtet und den Rücken streckt und wieder beugt. Neben ihm ein Instruktor, der all seine Bewegungen überprüft. Bewegungen, die auf einem Bildschirm anhand von Kraftkurven visualisiert werden. Die LE ist ein mächtiges Ungetüm. Satte 940 Kilogramm wiegt sie. Beeindruckend viel Stahl, um derartig kleine Muskeln zu stählen. Sencil verzieht das Gesicht. Das Training ist anstrengend. „Aber wirksam“, sagt er und lacht.
Die große Erfindung: Die Fixierung des Beckens. „Es galt, in erster Linie ein physisches Problem zu lösen. Das knöcherne Becken ist so kurz. Und der Gluteus, der Gesäßmuskel, ist so stark. Es ist schwierig, das Becken während der Rückenstreckung fixiert zu halten. Deshalb brauchen wir die Beckenrolle, den dicken Gurt, die Polster auf den Knien und die Fußstütze. Ohne sie würden wir den Rumpf mit Hilfe des Gluteus aufrichten. Damit würden wir den Rücken nicht stärken.“
Der Aufwand war immens, erzählt Sencil. Damals entstanden die Entwürfe noch am Zeichentisch und wurden ad hoc umgesetzt. „Die Werkstatt war nebenan. Wir konnten das Metall direkt schneiden, formen, zusammenzusetzen und testen.“ Sencil lacht sein tiefes Lachen: „Wir hatten damals keine Möglichkeit, Stahl zu biegen. Das ist der Grund, warum alles eckig ist.” Funktionierte etwas nicht, ging es zurück an den Zeichentisch.
Arthur Jones kam jeden Tag ins Büro. „Er kam meist am Ende des Tages, gab seinen Input und ging wieder.“ Sencil ist ihm dankbar: „Er war ein toller Mentor. Hat mir alles über Training und Maschinen beigebracht. Er war sehr mechanisch orientiert. Und ich bin ein ausgebildeter Ingenieur. So konnte ich innovative Ideen einbringen.“
Nachdem die LE fertiggestellt ist, schlägt Jones seinem Maschineningenieur vor, eine Nackenmaschine zu entwickeln. Nur drei Monate später präsentiert Phil Sencil die Cervical Extension-Maschine zur Kräftigung der tiefen Streckmuskeln der Halswirbelsäule. „Die habe ich komplett allein entwickelt“, sagt er stolz. Und lacht.
Beide Maschinen werden heute von Kieser Training produziert und stehen in nahezu allen Kieser Training-Studios. „Wir haben inzwischen einige Verbesserungen vorgenommen. Beispielsweise in der Software und in den Messinstrumenten. Das war ein ziemlich großer Aufwand.“ Phil Sencil hat Spaß an seiner Arbeit. Er sagt: „Es ist schwierig, etwas wirklich Neues zu entwickeln. Wenn es aber gelingt, das erfolgreich zu tun, macht es wirklich Spaß und ist aufregend. Und wenn dann jemand sagt: Wow. Das ist der aufregendste Teil an meinem Job.“
Text: Tania Schneider
Foto: Verena Meier