AUF DER SUCHE NACH DEM WIND
Konrad Nehrenberg ist Segel-Profi. Er betreibt damit einen Sport, bei dem man eng im Team zusammenarbeitet – und lernt, im richtigen Moment auch mal die Klappe zu halten.
Die Wolken beobachten, wie sie am Himmel ziehen. Entspannt auf dem Rücken liegen und überlegen, was die einzelnen Wolkenformen darstellen. Dabei ins Träumen kommen und vielleicht sogar für einen Moment die Augen schließen … Stopp. Als Segler hat man zwar die Wolken im Blick, aber entspannt ist das nicht. Zumindest dann nicht, wenn man eine Regatta segelt und es deshalb schnell gehen muss. Dann schaut man zwar in den Himmel oder aufs Wasser, aber nicht um zu träumen, sondern um den optimalen Kurs zu finden. Segler studieren bei der Vorbereitung Wettervorhersagen und Stromkarten, doch die tatsächlichen Bedingungen können sie erst auf dem Boot einschätzen. Wo ist mehr Wind? Wo ist weniger Welle und weniger Strom unter Wasser?
Leistungssport, der auch rentnertauglich ist
Konrad Nehrenberg, schlank, mit kurzen, blonden Haaren, ist mit seinen knapp 21 Jahren das jüngste Mitglied seiner Mannschaft. Er segelt, seit er acht Jahre alt ist. Angefangen hat er als Solosegler im Optimisten, einem kleinen Segelboot für Kinder, später im Laser, einer olympischen Bootsklasse. Er mag den Kampf gegen die Elemente und die unterschiedlichen Bedingungen beim Segeln. Ihm gefällt, dass es ein Sport für jeden ist, für Leistungssportler wie ihn genauso wie für 70-jährige Rentner, die entspannt auf dem Mittelmeer segeln wollen. Inzwischen ist er vom Solosegler zum Teamsportler geworden, hat mit der J70 im Viererteam an der Segelbundesliga teilgenommen und – weil das auf Dauer neben dem dualen Studium zu zeitaufwändig geworden wäre – segelt er jetzt mit einer festen Crew auf einem größeren Boot. Und das ziemlich erfolgreich: Seine Mannschaft hat dieses Jahr in ihrer Bootsklasse den ersten Platz auf der Kieler Woche geschafft, immerhin die weltgrößte Segelveranstaltung.
Wind, der an die Konkurrenz geht
Konrad Nehrenberg ist kein Angeber. Er spielt die Bedeutung der Erstplatzierung eher runter, sagt, dass es bei der Kieler Woche nicht wirklich internationale Konkurrenz gab, dass dort vorwiegend nur Deutsche und Skandinavier mitfuhren. Bei der Europameisterschaft in Danzig in diesem Jahr gab es deutlich mehr internationale Mitstreiter und sein Team musste sich mit dem undankbaren vierten Platz zufrieden geben. Konrad Nehrenberg erzählt, dass es bei der Offshore-Regatta, bei der man eine längere Strecke über einen Tag segelt, wenig Wind gegeben hat. Für die Teilnehmer war schwer vorherzusehen, an welcher Stelle es zuerst aufbrisen würde. Seine Crew hatte bei der Suche nach der besten Stelle Pech, am Ende reichte es trotz der guten Ergebnisse bei den anderen Rennen nicht für einen Platz auf dem Siegerpodest.
Seit Anfang des Jahres segelt Konrad Nehrenberg in derselben zehnköpfigen, internationalen Crew, zu der neben vielen Deutschen auch ein Österreicher und ein Däne gehören. Ein großer Teil der Crew-Mitglieder sind mittlerweile zu Freunden geworden. Dabei bleibt während der Regatten nicht viel Zeit für Privates: Gleich nach dem Frühstück geht es aufs Wasser und die Crew schaut, ob Boots- und Segeltrimm zu den realen Bedingungen passt. Das heißt, sie prüfen die Einstellung von Segel und Mast sowie die Gewichtsverteilung auf dem Boot. Dann startet die eigentliche Regatta, von der die Segler in der Regel am späten Nachmittag zurückkehren. Es folgen Abbau und Nachbesprechung. Erst beim Abendessen und danach ist wirklich segelfreie Zeit.
Crew-Mitglieder, die auch ihre Macken haben
Kracht es eigentlich manchmal, wenn man so ehrgeizige Ziele verfolgt und dabei auf wenig Raum eng zusammen arbeitet? Konrad Nehrenberg lacht und sagt, klar, Spannungen gibt es immer mal. Nicht jeder ist immer gleich gut drauf. Aber dadurch, dass man so viel Zeit miteinander verbringt, lernt man die Macken der anderen auch schnell kennen und kann damit umgehen. Seine Erfahrung: Als Segler sollte man anpassungsfähig sein und wissen, wann der richtige Zeitpunkt ist, seine Position zu vertreten oder wann es besser ist, sich unterzuordnen. Entscheidend dabei ist die Segelerfahrung. Als Anfänger kommt man den alten Hasen besser nicht mit vermeintlich schlauen Tipps.
Wasser, auf dem er ein Viertel des Jahres verbringt
Sein Alltag ist voll: 32 Stunden pro Woche arbeitet er im Kieser Training-Studio in Rostock, alle fünf Wochen geht es für vier Tage zum Studium nach Hamburg. Dazu kommen Prüfungsvorbereitungen für die Uni: „Im Sommer leidet das Studium schon etwas unter dem Segeln. Im Winter gehen die Punkte wieder hoch“, sagt er lachend. Tatsächlich erreicht man Konrad Nehrenberg in den Sommermonaten nur schwer. 80 bis 100 Tage verbringt er dann auf dem Wasser, dazu kommen Reisetage und Bootsarbeit. Das ist nur möglich, weil er in der Zeit Überstunden abbauen kann. Trotzdem lässt sich die Ausbildung nicht immer mit dem Sport vereinbaren: An der Segel-Weltmeisterschaft im vergangenen Jahr konnte er nicht teilnehmen, weil er eine Klausur schreiben musste. Ein Verzicht, den er in Kauf nehmen muss, weil er zwar als Spitzen- aber eben nicht als Berufssportler segelt. Und auch eine Teilnahme am Americas Cup, der Trophäe im Segelsport, wie er sagt, wird nebenbei nicht machbar sein. Er weiß das, hat sich aber bewusst gegen den Vollzeit-Profisport entschieden. Der Grund: Die damit verbundenen Reisen ließen sich später nur sehr schwer mit einem Familienleben vereinbaren.
Text: Monika Herbst
Foto: www.regate.com.hr