EINE FRAU STEHT IHREN MANN
Gemeinsam mit ihrem Mann Werner hat Dr. med. Gabriela Kieser das Unternehmen Kieser Training aufgebaut – und ihr medizinisches Wissen eingebracht. Dabei hat sie sich nie gescheut, dem Muskelmacher Paroli zu bieten.
„Nöd. Immer seist du, das gaht nöd und dänn gaht’s doch.“ Wenn Gabriela Kieser mit ihrem Mann Werner spricht, spricht sie laut, denn der ist schwerhörig. Die beiden kabbeln sich auf Schwyzerdütsch. „Gabi schimpft immer mit mir“, feixt Werner Kieser – gespielt entrüstet. Wie ein Kind zieht er schmollend die Mundwinkel nach unten. „Dann muss ich halt das Hörgerät abschalten.“
Sie schüttelt den Kopf und knufft ihn lachend in die Seite. Die feuerroten Locken tanzen, die grünen Augen funkeln, die Wangen sind rosig. „Du bist jetzt mal still.“ Die Unternehmerin ist stark genug, dem Muskelmacher Paroli zu bieten. Seit 38 Jahren sind die beiden ein Paar, seit 27 Jahren machen sie auch beruflich gemeinsame Sache. Das medizinische Wissen der Ärztin Gabriela Kieser hat viel zur Entwicklung von Kieser Training beigetragen.
Wie vieles bei Kiesers beginnt auch ihre eigene Geschichte mit einem Zufall: „Ich war gerade 19 als ich Werni auf einer Party kennenlernte“ erzählt sie. Dann meldet sich Werner wieder zu Wort: „Wir tanzten, redeten und verliebten uns. Wenig später zog sie einfach mit Sack und Pack bei mir ein.“ Er scheint noch heute überrascht darüber, schließlich war sie damals noch ziemlich jung – und im Übrigen 19 Jahre jünger als er.
Damals stand Gabriela Kieser kurz vor dem Abitur. Rheumatologin wollte sie eigentlich werden. Sie studierte Medizin, arbeitete als Assistenzärztin im Krankenhaus und promovierte. Und dann kam alles anders: „Werner war mit Arthur Jones befreundet, dessen damals revolutionären Nautilus-Maschinen bei uns im Studio standen. Eines nachts rief Jones an und erklärte, er habe das Rückenproblem gelöst.“ Jones hatte die Lumbar-Extension-Maschine (LE) entwickelt, mit der gezielt die tiefen Rückenstrecker der Lendenwirbelsäule gekräftigt werden können. Ihr Mann flog sofort nach Florida – und kaufte die Maschinen. Zurück in Zürich überzeugte er sie, eine Arztpraxis für Kräftigungstherapie zu eröffnen.
Und so eröffnete die Ärztin Gabriela Kieser am 1. April 1990 ihre Praxis und wendet als eine der ersten weltweit die computergestützte Rückenmaschine bei ihren Patienten an. „Wir behandelten Menschen mit chronischen Rückenschmerzen, die schon den ganzen Fango-Tango hinter sich hatten. Und zwar ausschließlich über die isolierte Kräftigung der Rückenstreckmuskulatur. In 80 bis 90 Prozent der Fälle mit Erfolg.“
In der Fachwelt, erzählt sie, sei das nicht gerade auf Gegenliebe gestoßen. Als ein Gesundheitsmagazin des Schweizer Fernsehens eine Reportage über einen ihrer Patienten brachte, bekam die Redaktion anschließend Protestbriefe von Fachärzten und Kliniken. Nur wenige Ärzte zeigten sich interessiert. „Diese Ärzte berichteten uns von abgesagten Operationsterminen. Die Begründung der Patienten war immer dieselbe: ‚Ich war bei der Frau Dr. Kieser in der Kraftmaschine. Meine Schmerzen sind weg.’“
Ermutigt durch den Erfolg integrierten Kiesers die LE als festen Bestandteil ins Unternehmenskonzept. Später kam auch die Cervical-Extension-Maschine hinzu, die der Stärkung der tiefen Muskulatur der Halswirbelsäule dient. Gabi Kieser wundert sich: „Heute gibt uns die Wissenschaft laufend Recht. Das war damals undenkbar.“
„Die Menschen sind die Würze.“
Nach 20 Jahren im Management steht Gabi Kieser heute wieder als Ärztin im Studio. Neben der ärztlichen Leitung von Kieser Training und einigen Projekten kümmert sie sich in drei Züricher Studios um die medizinische Trainingsberatung. Ihre Augen leuchten und sie grinst breit: „Ich mag den direkten Kontakt mit den Kunden und es macht mir Freude, zu hören und zu sehen, welche Erfolge sie durch das Training erzielen.“
Seitdem ihr Mann und sie Kieser Training an die beiden Nachfolger Michael Antonopoulos und Nils Planzer verkauft haben, arbeitet Gabi Kieser im Angestelltenverhältnis. Das sieht sie gelassen. „Ich habe mich vom Unternehmen auffressen lassen. Jetzt genieße ich den neuen Freiraum und freue mich auf schöne Jahre mit Werner.“ Gerade hat sie angefangen, Thai Chi zu lernen. „Die Bewegungen sind so schön. Da kommt man richtig runter.“ Auch ihr Klavierspiel will sie wieder aufnehmen. „Du spielst nicht viel“, kommt ihr Werner dazwischen. „Lass mich doch aussprechen“, kontert sie. „Es steht in meiner Agenda.“ Ob sie gut streiten könne? „Nja. Ich komme aus einer Streitkultur. Werner steht über den Dingen. Deswegen ist es selten eskaliert. Aber wir diskutieren heftig. Und wir sind nicht immer einer Meinung.“
Gabi Kieser liebt es, gemeinsam mit ihrem Mann und den Hunden Zeit in ihrem Ferienhaus auf 2000 m über Meer im Bündnerland zu verbringen. So wie die Auseinandersetzung für sie das Salz in der Beziehung ist, mag sie auch beim Wetter nicht nur Sonnenschein. Sie schwärmt vom Nebel in den Bergen. „Der Nebel ist hier wunderschön. Da hast du einfach Ruhe. Ein Cheminéefeuer. Ein schönes Buch. Mehr braucht’s nicht für Glücksmomente mit Werni und den Hunden. Du bist nicht allein, aber für dich.“
Text: Tania Schneider
Fotos: Verena Meier