ICH MAG ES LIEBER STILL
Es ist die Sehnsucht nach der Unterwasserwelt, die Eva Durband immer wieder packt. Ihr Hobby, das Tauchen, hat sie deswegen zum zweiten Beruf gemacht.
Eva Durband sitzt gelassen in ihrem Wohnzimmer auf einem LC2-Sessel von Le Corbusier, dessen knalliges Karmesinrot sich kontrastvoll vom meeresgrünen Ziegenhaarteppich absetzt. Schwarzes T-Shirt, schwarze Weste, schwarze Hose, schwarze Stiefel – Eva Durband kleidet sich gerne in Schwarz. Sie ist von Beruf Architektin. Eigentlich. Denn sie hat auch ihre Tauchleidenschaft zum Beruf gemacht: Gemeinsam mit ihrem Mann Tobias dreht sie seit vielen Jahren Unterwasserfilme.
Den Meermenschen merkt man ihr sofort an: Ihr silberner Halsreif zeigt den Körper einer Meerjungfrau. Den Silberring mit dem fetten Seestern am rechten Mittelfinger ließ sie sich von einer befreundeten Goldschmiedin anfertigen – nach Vorlage eines selbst geschossenen Unterwasserbildes. Sie deutet auf ihre schwarze Taucheruhr am linken Handgelenk, an deren Armband ein kleiner Kompass befestigt ist. Dann lacht sie und sagt: „Wenn du weißt, wo du bist, kannst du sein, wo du willst.“ Und tatsächlich: Eva Durband wirkt wie ein Mensch, der genau da ist, wo er sein will.
Seit Ende ihres Studiums führt sie ein Architekturbüro – ebenfalls gemeinsam mit ihrem Mann Tobias. Schon im Studium arbeiteten die beiden im Zeichensaal Tisch an Tisch und entdeckten dabei auch die gemeinsame Leidenschaft fürs Tauchen. Seit 1978 sind sie privat wie beruflich im Buddy-System unterwegs. Der Begriff steht beim Tauchen dafür, dass man aus Sicherheitsgründen immer zu zweit taucht und den anderen nicht aus dem Blick verliert. „Uns war klar, dass niemand ein Paar anstellt. Klar war aber auch, dass wir als Team deutlich besser funktionieren, als jeder für sich allein. Also haben wir in Zürich Oerlikon ein eigenes Büro eröffnet.“
Sie steht auf und geht vom Wohnzimmer über die schmale Wendeltreppe ins Büro in der oberen Etage, das wie die Brücke eines riesigen Unterwasserschiffes wirkt. Es ist der Mittelpunkt des Hauses – ein Altbau, den sie vor 33 Jahren gekauft und später durch moderne Elemente erweitert haben. Wie im Studium stehen die Schreibtische wieder Seite an Seite. Hier arbeiten sie nicht nur an ihren architektonischen, sondern auch an ihren Unterwasserprojekten. Auf einem der großen Monitore zeigt Eva Durband einen Drei-Minuten-Clip, den sie gerade fertig geschnitten hat.
Wenn sie von der Unterwasserwelt und ihrer Faszination darüber erzählt, strahlt sie über das ganze Gesicht und ihre Augen blitzen. Sie taucht bereits seit 45 Jahren – 15 Jahre davon technisch mit Hilfe von Kreislaufgeräten, mit deren Hilfe die verbrauchte Luft wiederaufbereitet wird. Das bietet viele Vorteile: „Damit kannst du länger und tiefer tauchen. Außerdem entstehen keine Blasen. So bist du ruhiger, wodurch der Kontakt mit den Tieren wesentlich intensiver ist.“ Sie lacht wieder: „Die Fische schwimmen oft gegen dich. Dann erschrecken sie, weil sie merken, dass du ein Lebewesen bist.“
Fasziniert von diesen Möglichkeiten beginnt Eva Durband 2003, unter Wasser zu fotografieren und zu filmen. Inzwischen sind sie und ihr Mann immer mit mehreren Kameras unterwegs. Durband erklärt: „Das ermöglicht es uns, aus verschiedenen Perspektiven und mit verschiedenen Brennweiten gleichzeitig zu filmen. So wurde aus dem anfänglichen Hobby ein Beruf. Wir sind da so reingerutscht.“
Viermal jährlich ist das Team im Schnitt unterwegs. Bevor sie abtauchen, stehen meist ein bis eineinhalb Stunden Vorbereitung auf dem Programm. Dabei gilt es beispielsweise, einen genauen Plan zu erstellen, Tauchgeräte, Kameras und Beleuchtung vorzubereiten und in einem Tauchbecken die Dichtigkeit zu prüfen. Erst dann schleppen sie die rund 100 Kilo schwere Ausrüstung zum Wasser. „Da bist du froh, wenn du starke Muskeln hast“, sagt Eva Durband. Für ihren Mann Tobias ist klar: „Eva ist eine Powerfrau. Sie kennt nur zwei Zustände. Vollgas oder Null.“
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Pro Tauchgang sind die beiden drei bis vier Stunden unterwegs. Mit der Kamera Sensationen nachzujagen, ist dabei nicht ihr Ding. Lieber harren sie an einer Stelle aus und zeigen das Alltägliche, an dem jeder andere Taucher vorbeisieht. Oft sind die Lebewesen, die sie im Bild einfangen, mit bloßem Auge kaum zu sehen, wie Denise-Zwergseepferdchen oder Skeleton Shrimps. „Die Tiere sind scheu und fliehen im ersten Moment. Es braucht Geduld, bis sie sich an unsere Anwesenheit gewöhnen und wieder hervorkommen“, sagt Eva Durband.
Sie ist fasziniert von der Vielfalt der Farben, Formen, Strukturen und Muster sowie den sich daraus ergebenden Stimmungen. Vor allem begeistern sie die Bewegungen und das Verhalten der Schwärme. „Das ist wie auf einem anderen Planeten. Bei unseren Arbeiten möchten wir Bild und Stimmung verweben und die Unterwasserwelt so zeigen, wie sie ist – still.“ Dann hält sie einen Moment inne und sagt: „Mir kommt es komisch vor, so viel zu sprechen. Ich mag es lieber still.“
Text: Tania Schneider
Fotos: Verena Meier