IN EIN NEUES LEBEN GESCHUBST
Vor zwei Jahren trug Ricki Denk am liebsten Schwarz – doch heute lässt sie Farbe in ihr Leben. Überhaupt macht sie vieles anders, seit sie schmerzfrei ist.
Ricki Denk hat sich gerade ihre schwarze Jacke angezogen und will ihr Haus verlassen, um arbeiten zu gehen, als ihr beim Naseputzen plötzlich ein starker stechender Schmerz in den Rücken fährt. „Es machte Bäm! Ich habe sofort gespürt, dass sich etwas verschoben hat“, erzählt sie und legt dabei ihre Hand auf die Lendenwirbelsäule. Getrieben von einem ausgeprägten Pflichtgefühl und der Angst vor Spritzen schleppt sie sich lieber zur Arbeit als zum Arzt.
Doch zwei Wochen nach dem Ereignis wird Denks linker Fuß taub und sie beginnt, ihr Bein hinterherzuziehen. Nach einer MRT-Aufnahme steht fest: Sie hat einen Bandscheibenvorfall in der Lendenwirbelsäule, genauer gesagt: einen Bandscheiben-Sequester, bei der ein Teil der Bandscheibe vollständig abgetrennt wurde und auf die Nervenwurzel drückt. „Ich habe die ersten Tage vor Schmerzen geschrien“, erzählt sie.
Ricki Denk ist 50 Jahre alt – 28 Jahre ihres Lebens waren von Rückenschmerzen geprägt. Man merkt der drahtigen, zierlichen Frau mit dem strubbeligen Kurzhaarschnitt an, dass sie viel durchgemacht hat. Und dennoch betrachtet sie den Bandscheibenvorfall positiv: „Ich habe gelernt, nein zu sagen. Es war für mich ein Schubser in ein neues Leben.“
Nach dem Vorfall im Juni 2014 verbringt sie mehrere Tage zu Hause in Stufenlage, bevor sie in eine Klinik zur Schmerztherapie eingeliefert wird. 16 Tage erhält sie täglich Spritzen und zwei bis drei Infusionen sowie eine Strom- und Bewegungstherapie, eine Rückenschulung und Sitzungen bei einer Psychologin. Trotz der Korsage, die sie trägt, kann sie sich kaum auf den Beinen halten; muss sich an der Wand entlang hangeln, wenn sie ins Bad will. Zu den Behandlungen wird sie mit dem Rollstuhl abgeholt. „Der junge Bursche, der mich abgeholt hat, war so alt wie mein ältester Sohn. Das war fürchterlich“, erzählt sie mit zitternder Stimme und feucht glänzenden Augen.
Ricki Denk ist nicht nur physisch, sondern auch psychisch am Boden. Sie hat Sorge, ihre Arbeit zu verlieren, sich daheim nicht mehr um ihr Haus kümmern zu können, ihren Pflichten nicht mehr nachkommen zu können. Ihr schlimmster Gedanke: „Ich hatte riesige Angst, mich nie wieder so bewegen zu können, wie ich möchte. Ich war total verzweifelt und habe nur noch geweint.“
Täglich raten ihr die Ärzte zu einer Operation. Doch entgegen ihrer Gewohnheit, dem Rat der Ärzte zu folgen, sagt Ricki Denk zum ersten Mal: „Nein!“ Als sie das erzählt, streckt sie ihr Kreuz durch und hebt den Kopf. Ihre Stimme klingt fest und ihre fast schwarzen Augen funkeln kämpferisch. Sie ballt die rechte Hand zur Faust und schlägt sich damit entschieden auf den Oberschenkel.
Am Tag vor der Entlassung setzt ihr der Oberarzt eine letzte Spritze ins Rückenmark. „Danach war mein linkes Bein von der Hüfte bis zu den Zehenspitzen taub. Dann bekam ich einen Krampf, der etwa eineinhalb Stunden anhielt.“ Ricki Denk kneift ihr Gesicht zusammen und reibt ihr Bein. „Ich war mürbe und wollte beinahe doch in die Operation einwilligen, doch die Ärzte erklärten mir, die Reaktion sei ein Zeichen dafür, dass die Therapie anschlägt.“
Denk wird entlassen – doch Schmerzen hat sie immer noch. Insgesamt ist sie ein halbes Jahr krankgeschrieben. Es folgen ein Jahr Physiotherapie, unterstützt durch wöchentliche Massagen und ein Reha-Aufenthalt. „Dort hat mir ein Arzt gesagt, dass ich die Muskeln aufbauen muss.“ Ricki Denk recherchiert, stößt auf Kieser Training und startet kurz darauf in einem der Wiener Studios mit einem Training an der computergestützten Lumbar-Extension-Maschine (LE). „Ich spürte schon nach der vierten Sitzung an der LE eine Besserung. Da habe ich angefangen, mein Leben zu reflektieren. Seitdem habe ich vieles verändert.“
Die zarte Frau traut sich seitdem, häufiger Rückgrat zu beweisen: verabschiedet sich von Menschen, Pflichten und Gewohnheiten, die ihr nicht guttun. Sie zieht aus ihrem Haus in eine kleine Wohnung und wirft allen materiellen Ballast über Bord. „Das war für mich und auch für Menschen in meinem Umfeld nicht immer einfach“, sagt sie. „Aber es war befreiend. Ich habe gelernt, zuerst einmal auf mich selbst zu achten.“
Heute ist Ricki Denk nicht nur bei sich selbst angekommen, sondern an den meisten Tagen auch schmerzfrei. Sie genießt ihr Leben, verbringt ihre Zeit am liebsten mit ihren drei Söhnen oder Freunden. Und sie liebt es, aktiv zu sein – etwa um beim Nordic Walking durch die Landschaft zu flitzen – mit bunten T-Shirts als Ausdruck ihrer Lebenslust. Außerdem freut sie sich darüber, durch die Bewegung in Kombination mit Kieser Training und einer Ernährungsumstellung 14 Kilogramm abgenommen zu haben. Sie ist sichtlich stolz darauf, sich selbst vertraut zu haben und aus eigener Kraft den Weg aus der Krise gefunden zu haben. „Mir geht es richtig gut“, sagt sie und fügt hinzu: „Seitdem ich mich durch Kieser wieder so gut bewegen kann, kann ich auch wieder lachen.“ Und dann lacht sie laut – und ziemlich befreit.
Text: Tania Schneider
Foto: Verena Meier